Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Gelebte Leben
Schau, die Schuhe: ausnahmslos schwarz, mehr oder weniger derb; viele sind sichtlich herumgekommen. Sie waren für ihre Träger gemacht und haben sie oft ein Leben lang getragen.
So eine Jacke, sagst du. Aus Wolle, an den Schultern knapp und geknöpft bis zum Kinn. Unverwüstlich. Manch eine ist mit Sorgfalt geflickt. So ein Kleidungsstück; wie ein Freund.
Gut hundert Jahre alt sind die Fotografien, zwischen denen wir stehen. Gefaltete Hände, gestecktes Haar. Uhrketten, der geschnitzte Rand einer Sofalehne. Menschen, von denen wir höchstens noch einen Namen lesen, vielleicht Verwandtschaften erkennen können auf anderen Bildern, und wissen, daß sie sich haben fotografieren lassen, ganze Familien. Für später. Für die Nachwelt.
Und so schauen ihre Gesichter uns an, da sind hundert Jahre nichts.
Wir wechseln unsere Schuhe alle paar Monate. Zerrissene Jacken werfen wir weg, und von uns beiden wird es kein Bild geben in hundert Jahren. Zumindest keines, das wir gewollt hätten, denn nur unbeobachtet werden wir Paar gewesen sein können. Spurlos.
16. Juli 2014, 11:39 ° gemerkt
... kommentieren
trippmadam,
Sonntag, 20. Juli 2014, 00:08
Ja, man fällt in gewisser Weise aus der Familiengeschichte, wenn man nicht den üblichen Weg gegangen ist, wenn einem also kein Platz in dem Beziehungsgeflecht der Großfamilie zukommt.Trotzdem muss es diese Geschichten auch schon früher gegeben haben. Wenn zwei nicht heiraten durften, z.B.weil die Äcker nicht zusammen passten und sie sich doch einen Weg suchten. Im Nachhinein erinnere ich mich, dass ich ein- oder zweimal als Kind in ein Zimmer gekommen bin, in dem sich alte Tanten und Onkel über die Verwandtenbilder an der Wand unterhielten, Namen nannten und plötzlich verstummten, wenn sie mich bemerkten.
... link
nemorosa,
Sonntag, 20. Juli 2014, 00:29
Das weckt natürlich Neugier: zweierlei Geschichten, die dokumentierten und die verschwiegenen. Von letzteren erfuhr man wahrscheinlich sowieso nur, wenn irgendetwas schief ging ...
... link