Die rote Linie dicht bei der blauen auf der Karte: ein Weg am Bach, ohne Hast zu gehen zwischen den Dämmerungen.
Aber was für ein Bach dann in dieser braven Gegend! Mit Schnellen und Fällen, tief eingeschnitten in dreierlei Gestein. Aus dem weiten Flußtal treten wir in eine feuchtkühle Enge, überwölbt von Buchengeäst. Da hat sich das Wasser ein Bett geschliffen aus dem Schiefer, mit Millionen samtiger Spiegelchen als Streu. Ich stecke eines davon in die Tasche.
Ein Weg hat hier eigentlich keinen Platz; darum führt uns über Felsen und Buchenkupferlaub der schmalste aller Pfade. Ich folge dir: wenn du vorangehst, kann ich die Augen schweifen lassen. Schritt setzt du vor Schritt, bedächtig und sicher, bis ich wieder rufe: schau doch nur!
Heben wir die Köpfe, hängt über uns Fels. Zu unseren Füßen durchwachsen Baumwurzeln den Schiefer: wir klettern über ein Gemisch aus Stein und lebendigem Holz. Im Sommer steht der Farn hier sicher dicht; jetzt, zum Winter hin, flirren ein paar gelbe Blätter. Auf den nassen Hängen leuchtet Moos wie angestrahlt. Zweimal stören wir einen Reiher auf, der, viel zu groß, links und rechts mit den Flügelspitzen die Felswände zu streifen scheint.
Der Bach füllt das Tal mit Geschwätz. Sein Rauschen ist ein Gewirr von Stimmen aller Lagen und Farben; das singt und ruft und lacht und murmelt, einzelne Wörter verstehen wir immer nur fast. Gebell ist auch dabei. Daß die Alten sich Nymphen ins Wasser gedacht haben, Necker, Nixen, Najaden, ich kann es glauben.
Später am Tag wird das Licht trüber und der Bach leiser. Ich hole das taschenwarme Schieferstück hervor und lasse es ins Wasser fallen: In dreihundert Jahren, sage ich, ist es wieder da, wo ich es eingesammelt habe. Wir schauen nach, ja? Du lachst: Ja, in einem anderen Leben schauen wir nach.