Eben muß hier noch Schnee gelegen haben. Die Wiesen sind bleich, die Halme liegen platt; bei jedem Schritt schmatzt es schlammselig, und wir stehen im milden Frühjahrslicht, von oben bis unten bespritzt.
Grün ist nicht mal eine Ahnung in der Landschaft. Die Hügel strecken sich gelb und bräunlich, die Sonne rollt darüber hin. Ich bin müde, so müde. Wenn wir stehen bleiben zum Verschnauf, hocken die Vögel unsichtbar im Dorngesträuch und füllen es mit Liedchen. Du läßt mich auf deiner Schulter ausruhen.
Überm Weg schaukeln sonnenbesoffene Schmetterlinge, die nicht wissen können, daß ich Weihnacht im Rucksack trage: Apfel, Nuß und Mandelkern. Da, die Kapelle am Wegrand: der ungeschlachte Heilige glänzt im Meer der Kerzen, die ihm geweiht sind; er, der alle Visionen gottgefällig überstand, steht nun selber da wie ein finsterer Traum. Die Leute scheinen ihn zu lieben.
Du hast den Weg gewählt, und der streckt sich nun in der Wärme. Schön, flüstere ich und lege Wolle ab. Über den Rücken eines Drachen führst du mich, in Bögen und Schwüngen hoch und höher; die Sonne legt sich wie eine Schleppe auf unsere Schultern, während die Luft um uns glitzert von Insektenflügeln. Noch tiefer, unten im Tal, glänzt schwarz der Fluß.
Da plötzlich, Zauber aller Zauber, ein helles, klagendes Signal: eine, zwei, drei Ketten von Kranichen pflügen durch den Himmel, bleiben, kreisen, schrauben sich mit den Aufwinden ins Blau, ein komplizierter Tanz, eine Prozession, begleitet von Getröt.
In neuer Höhe setzen sie ihren Nordweg fort. Wir steigen hinab ins Tal, wo der Fluß ist und der Bahnhof. Ich bin so müde.
Du ziehst mich an dich. Ich rolle mich in deinem Arm zum Schlaf zusammen, und während ich alles vergesse, nimmst du mich mit dir.
Ach, ich beneide Sie ein bisschen um diese Sichtung der zurückkehrenden Kraniche. Kurioserweise sehe ich sie meistens nur beim Wegfliegen gen Süden, und das signalisiert dann immer, in Kürze wird es ungemütlich.
Das habe ich so auch zum ersten Mal gesehen. Ich finde das Konzept von Zugvögeln atemberaubend uneffizient und folglich ganz und gar großartig; Kraniche mit ihrer Masse und ihrer Zahl treiben es auf die Spitze. (Durch sind sie noch nicht. Vielleicht haben Sie ja noch Glück ...)
Also, leiser sind sie wahrhaftig nicht. Rätselhaft, wieso mir das in früheren Jahren nie aufgefallen ist; unter kraniche.de sehe ich, daß sie mir fast über den Kopf fliegen.