Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Hundert Jahre
Ich wußte einmal nichts von dir? Das muß lange her sein; ich habe vergessen, wie das war. Nur wie das war, als ich Sie zu dir sagte, weiß ich noch. Und dieses Sie mir so teuer.
Ich hatte mir ein Herz gefaßt und beim Essen nach Ihrer Hand gegriffen, und Sie luden mich ein zu sich. Sie schenkten uns Wein in die Gläser, die wir nachher doch nicht leerten; ich setzte mich und sprach mit Ihnen über Bücher, bis du mich küßtest. Da waren es nur noch du und ich; die Welt rückte ein Stück zur Seite und machte Platz für uns, und wir beide kamen nicht aus dem Staunen heraus über uns, über einander.
Nachts stand der Wein schwarz in den beiden Gläsern. Ich lag bei dir und lauschte deinen Atemzügen. Dein Gesicht, in eine Hand geschmiegt, leuchtete in den Kissen. Deine Wärme, dein Duft, dein ganzer Schlaf ein Geschenk an mich, in das ich mich hüllte, von dem ich mich umfangen ließ.
Im Morgengrauen waren hundert Jahre um, und ich weckte dich mit einem Kuß.
26. Mai 2013, 18:44 ° aufgezeichnet
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