Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
blogger   heim   ich   das   suchen   subskribieren        
betrachtet   danach   davor   eingenordet   entfernt   erwünscht   gegangen   gemerkt   gerastet   gestolpert   vergangen  


 
 
 
mit allzu dünner Haut
Die Schnellzugscheiben spiegeln dir nur deinen eigenen Blick; du weißt nicht, hinter welchem Fenster ich winke. Dann bleibt der Bahnhof zurück, und mit ihm die Stunden, die in diesem Tag unsere waren. Und schön.

Nur wenige Augenblicke zuvor, der Zug fuhr schon ein, sah ich, wie dein Kragen von deinem Pulsschlag bebte, während wir einander nicht loslassen mochten.

Davor war die Stadt uns freundlich gesonnen und hatte sich von ihrer zuckrigsten Seite gezeigt; wir waren hindurchgegangen wie Hans und Grete, Hand in Hand, und hatten doch nirgends angebissen.

Noch etwas eher lagst du auf einer Bank am Wasser, den Kopf auf meinem Schoß, die Stirn in Frieden. Spaziergänger und Radfahrer passierten uns, Frachtschiffe schoben sich vorbei, aber wir waren im Schatten der Weiden ganz für uns.

Dorthin waren wir auf heiteren Wegen gelangt, durch sonnenhelle Dorfgassen zwischen Gärten und herrlicher Aussicht; wir hatten die Wege rufen gehört und uns zugenickt.

Die Schritte bis da waren weniger sicher gewesen, die Blicke zerbrechlicher, selbst die Gegend weniger zugewandt. Ich mußte dich in den Arm nehmen, von Zeit zu Zeit, um zu wissen, daß es uns gut geht. Du strichst mir geduldig die Stirne glatt. Wir fanden unseren Weg über einen Friedhof; Leute mit Gießkannen grüßten. Irgendwann waren wir über den Berg.

Zuvor, am Bahnsteig, hielten die frühen Reisenden scheu Abstand von unserer Bank, wo du zusammengesunken saßest und ich versuchte, dich zu trösten; meinen Schal um dich wickelte, deine Tränen trocknete mit dem Hemd, dir Zucker in den Kaffee rührte und doch nichts bewirken, nicht mal einen halben Tag aus dem Hut zaubern konnte für dich, für uns. (Und was, wenn etwas Schlimmes wäre --) Aber du wurdest doch ruhiger in meinen Armen; du nahmst ein Taschentuch, ein paar Schluck Kaffee und meine Hand, und dann machten wir uns auf den Weg, vorsichtig, wie über Glas.

Gleich als du aus dem Zug sprangst und zu mir kamst, wußte ich's, hatte es schon geahnt, als ich dein Gesicht, deine Haltung hinter der Scheibe ausmachte: daß überhaupt nichts in Ordnung sei, du ganz aufgebracht und unglücklich, und ich hatte gedacht: oweh.
 
 
15. Juni 2014, 20:51                               ° gestolpert

... kommentieren

 
akrabke, Dienstag, 17. Juni 2014, 13:47
Trotzdem: So schön, Schritt für Schritt, zurückgeschrieben.

... link  

 
Danke. Linear verläuft die Zeit sowieso nicht; und in der Erinnerung kommt sie dann ganz ins Schlingern ...

... link  


... comment
 
trippmadam, Mittwoch, 18. Juni 2014, 22:29
Ich hoffe, es lässt sich wieder in Ordnung bringen?

... link  

 
Ach, so gut oder so wenig wie sich das alles in Ordnung bringen läßt. Manchmal nimmt die Traurigkeit überhand.

... link  


... comment