Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Gelebte Leben
Schau, die Schuhe: ausnahmslos schwarz, mehr oder weniger derb; viele sind sichtlich herumgekommen. Sie waren für ihre Träger gemacht und haben sie oft ein Leben lang getragen.
So eine Jacke, sagst du. Aus Wolle, an den Schultern knapp und geknöpft bis zum Kinn. Unverwüstlich. Manch eine ist mit Sorgfalt geflickt. So ein Kleidungsstück; wie ein Freund.
Gut hundert Jahre alt sind die Fotografien, zwischen denen wir stehen. Gefaltete Hände, gestecktes Haar. Uhrketten, der geschnitzte Rand einer Sofalehne. Menschen, von denen wir höchstens noch einen Namen lesen, vielleicht Verwandtschaften erkennen können auf anderen Bildern, und wissen, daß sie sich haben fotografieren lassen, ganze Familien. Für später. Für die Nachwelt.
Und so schauen ihre Gesichter uns an, da sind hundert Jahre nichts.
Wir wechseln unsere Schuhe alle paar Monate. Zerrissene Jacken werfen wir weg, und von uns beiden wird es kein Bild geben in hundert Jahren. Zumindest keines, das wir gewollt hätten, denn nur unbeobachtet werden wir Paar gewesen sein können. Spurlos.
16. Juli 2014, 11:39 ° gemerkt
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zerreißend
Wir sitzen auf den Stufen vorm Theater und schauen auf die geschäftige Straße; wir reden etwas, nicht das, was wir sagen wollen, und ich spüre, wie du neben mir traurig bist. Und ich
komme nicht über die Zentimeter zwischen uns hinweg, nicht mit Mund und Händen; nicht einmal mein Lächeln dringt zu dir.
Ich möchte die Uhren anhalten und der Welt die Augen verbinden, daß ich dich fassen und umarmen kann.
11. Juli 2014, 19:09 ° entfernt
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Und doch
Als sich die Stunden schon neigten, zogst du mich zu dir: ob ich dich wolle? Ich wollte dich, nahm die Decke, schloß sie um uns, und wir machten eine kleine Nacht in den viel zu kurzen Tag, ein besterntes Dunkel, in dem wir nichts finden mußten als einander.
Danach blendete alles.
Ach, die Süße dieser Zeit; wie ein Schluchzer sitzt sie in meiner Kehle.
8. Juli 2014, 20:25 ° danach
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nichts
Drei, vier Stunden, das hätte doch zu machen sein müssen. Ein wenig Weg zwischen tropfenden Bäumen, ein Stück von deinem Marmorkuchen, mitgebrachter Kaffee. Das wäre der Plan gewesen, klein und erfreulich.
Dann ist alles eins: aus dem Zug steigen und dich festhalten, festhalten, weil wir uns aus zwei Ewigkeiten heraus begegnen; dann doch aus der Umarmung finden und los, handinhand, dem Wald zu.
Da erreicht mich, erreichbar muß ich ja sein, die Zumutung: ich habe da und da zu sein, und gleich. Alles nichts: Der Marmorkuchen wird im Rucksack bleiben, der nasse Weg führt wieder zum nächsten Bahnhof. Zum Winken, zum Sehnen.
Und ich weiß nicht, auf wen ich wütend sein soll. Nichts ist selbstverständlich für uns. Bei allem brauchen wir Glück: eine Welt, die nichts von uns weiß, bekümmert nicht, daß unser Gespräch zerbricht, daß meine Hände kalt bleiben. Ich lächele dir tapfer zu, aber in mir ist es finster.
Tapfer lächeln werde ich den ganzen Tag, denn worüber sollte ich auch traurig sein; es war ja nichts.
3. Juli 2014, 23:33 ° gestolpert
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