Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Wohlgemut
Wie ein Tunnel öffnet sich der Nadelwald, und Sonnenschein fällt über uns her. Geblendet suchen wir den Weg im Offenen: der ist eine weit schwingende Geste, eine Verdichtung von Blüten auf der blühenden Wiese.
Links und rechts zirpen die Gräser. Flockenblumen, Kartäusernelken, Dost und Rainfarn wimmeln vor geflügelten Insekten, daß es nur so summt; ein großer, guter Ton, der mit dem Sommerhimmel verschmilzt. Wir schreiten aus, nebeneinander, in Duft und Freude. Schmetterlinge stäuben ins Licht, und es könnte so weitergehen: Schritt, Atemzug, Hüpfer, Schritt und Schritt, zwei Spuren durchs Grün, übers Grün, ja, hinein ins Blau und höher --
Der Wiesenweg mündet in eine Schotterpiste. Auf Steinen knirschen wir noch eine Weile an Gräsern und Blumen vorbei, aber sie sind schon wieder für sich. In deinen Augen sehe ich die meinen leuchten. Dann kommt, kühl, dunkel und mit seinen eigenen Düften, der Wald.
28. Juli 2014, 00:09 ° gemerkt
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Wolkenkuckuck
Und dann: endlich der funkelnde Sommer.
Mit dir unter Menschen, die in uns nur mich und dich, keinesfalls aber: uns sehen durften. Nach der Nacht unterm dunklen Dach hinaus mit unseren Rucksäcken, und das ganze offene Tal lang ohne eine Berührung. Umso süßer dann der Kuß im Schatten an der Bach. Dann schnurstracks zum Waldrand, und da wartete ein Gewitter auf uns, vor dem liefen wir her wie die lachenden Hasen, Haken schlagend, und der erste nasse Windstoß wehte uns ins Waldgasthaus.
Kaffee, Kuchen, Blitz und Donner. Und das alte Paar am Nebentisch, eine Abneigung mit Geschichte; er schaute nur aus dem Fenster und sprach herablassend. Die alte Dame verabschiedete sich und wünschte uns alles Gute für unsere Wanderung; dann gingen sie doch noch nicht.
Unterm blankgewischten Himmel später über Straßen und Sträßchen, Waldschneisen und Pfade, als hätten wir nichts zu tragen, als müßte es nie wieder anders werden. Am Abend gar nicht naß vom Regen, sondern vom Gras, dessen Rispen uns trafen wie triefende Schwämme. Nachts im Zelt war ich zu müde für all das Glück, dessen Leuchten mich später erst ergriff, anderntags, im hellen Sonnenschein.
Fülle: Bilder, Worte. Hände, unverhohlen. Und die letzte Nacht, als zwei Steine in deinem Bett, dein Dach überm Kopf, und das langsame Schmelzen in die Dunkelheit hinein.
Die Tage mit dir, der Weg, die Weite, das ganze Gebilde. Ich muß es immerzu drehen und wenden, muß von allen Seiten betrachten, was wir da hatten, und kann es nicht fassen, nicht einmal danach.
27. Juli 2014, 17:31 ° gegangen
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bereit
Wettervorhersagen wälzen, Gepäck wägen und verwerfen, Vorräte halten, Routen legen, nicht allzu fest. Mach! mach! mach! Die Zeit treiben, bis sie dann endlich auch so weit ist.
21. Juli 2014, 13:52 ° davor
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Bald
Laß uns Riesen sein. Laß uns nach den Horizonten fassen und tasten, was dahinter ist. Die Dächer laß uns beiseite schieben. Wir wollen den Himmel schultern und übers Land tragen, bis er uns abends schwer wird; dann kann er uns zudecken, uns und das Gras, in dem wir schlafen.
Zum Morgen werden wir uns strecken ins Blau und Gold, ins Laub, in die Wolken: der neue Tag legt uns die Wege zu Füßen. Alle Richtungen sind nur einen Schritt entfernt.
17. Juli 2014, 15:14 ° davor
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Gelebte Leben
Schau, die Schuhe: ausnahmslos schwarz, mehr oder weniger derb; viele sind sichtlich herumgekommen. Sie waren für ihre Träger gemacht und haben sie oft ein Leben lang getragen.
So eine Jacke, sagst du. Aus Wolle, an den Schultern knapp und geknöpft bis zum Kinn. Unverwüstlich. Manch eine ist mit Sorgfalt geflickt. So ein Kleidungsstück; wie ein Freund.
Gut hundert Jahre alt sind die Fotografien, zwischen denen wir stehen. Gefaltete Hände, gestecktes Haar. Uhrketten, der geschnitzte Rand einer Sofalehne. Menschen, von denen wir höchstens noch einen Namen lesen, vielleicht Verwandtschaften erkennen können auf anderen Bildern, und wissen, daß sie sich haben fotografieren lassen, ganze Familien. Für später. Für die Nachwelt.
Und so schauen ihre Gesichter uns an, da sind hundert Jahre nichts.
Wir wechseln unsere Schuhe alle paar Monate. Zerrissene Jacken werfen wir weg, und von uns beiden wird es kein Bild geben in hundert Jahren. Zumindest keines, das wir gewollt hätten, denn nur unbeobachtet werden wir Paar gewesen sein können. Spurlos.
16. Juli 2014, 11:39 ° gemerkt
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