Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
hoch
Es geht hinauf, Schritt vor Schritt, Atemzug nach Atemzug hinauf, bis Beine und Lunge schmerzen.
Als ich hochblicke, sehe ich dich dicht vor mir, deine Gestalt umsäumt von Licht, der Weg eine Feuerblütenwiese und das Gras ein Flammenmeer, und du gehst in deinen brennenden Kleidern ganz ruhig hindurch und trägst die Sonne geschultert.
Später drehen wir uns, schöpfen Atem und winken unseren Schatten in der Landschaft, einander zugeneigt.
26. Juli 2015, 19:40 ° danach
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klick
Alles dauert länger als geplant, aber plötzlich stehst du hinter mir im Gewühle, ich drehe mich um und stürze in dein Lächeln. Schon bevor die heiße Freude mich erfüllt, freut mich, was ich sehe, und ich muß an jenen Winterabend denken, an dem ich nicht wußte, nach wem ich Ausschau hielt; damals lag kein Lächeln, sondern Anspannung auf deinem Gesicht, und doch erkannte ich dich, und es war gleich, was es blieb: Wohlgefallen.
13. Juli 2015, 21:30 ° danach
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schön
Das Abendlicht fängt sich in deinem Haar; jedes trägt einen winzigen Funken, Silber und Gold, als schwebten alle meine Küsse, mein Streicheln, Atem und Hauch als Wolke um dich, ein Schwarm knisternder Augenblicke.
7. Juli 2015, 15:05 ° danach
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Liegewiese
Der Sommer nimmt seinen Lauf, trinkt den Fluß halb aus (nur den Kormoranen steht das Wasser immer noch zum Hals) und sengt das Gras zu einem knisternden Teppich, auf dem wir uns niederlassen.
Du schnürst die Schuhe auf und ziehst sie aus; deine Füße sind noch ganz winterlich, und daß ich weiß, wie zart ihre Haut ist, macht es mir nicht leichter. Ich möchte so gern dem Geäder auf dem Spann mit dem Finger folgen; ich möchte die Knöchel umfassen und mit den Händen ganz vorsichtig sein, bis du schnurrst, aber es ist nicht der Ort, und auch nicht die Zeit, und ich muß schon darauf achten, daß keines der vielen Augen um uns den Blick in meinen bemerkt.
13. Juni 2015, 00:03 ° danach
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geteilt
Im Bad habe ich alle Nacktheit und Süße abgespült für den Tag; du bist noch im Bett, doch du trägst schon deinen Mantel aus Traurigkeit. Dein Blick trifft nicht mehr mich, sondern strandet in der Leere, die ich dir lassen werde. Schau nur, was wir hatten, sage ich; und: ich komme wieder, aber es ist alles nicht genug.
Da krieche ich zu dir unter deinen Mantel, umfasse und küsse dich. Später nehme ich von deiner Traurigkeit mit auf meinen Weg.
11. Juni 2015, 23:00 ° danach
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Traum
Sommertag in grün und blau: im besonnten Gras liegst du, eine flache Schale oder vielleicht ein Boot aus hellem Holz, angefüllt mit Nacht, ein schwarzer Spiegel voller Sterne.
16. Mai 2015, 14:35 ° danach
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ausgedacht
Plötzlich ist der Weg verschwunden, oder nein, die Abzweigung: Hier, zwischen Hütte und leichtem Anstieg, da hätte sie sein müssen, aber auch beim langsamen Zurück kein Wegzeichen, keine Spur nach links -- halt, hier vielleicht: niedergetretenes Gras und die Brombeeren lockerer, das könnte was sein, ein Tierpfad zumindest, laß uns den probieren.
Ja, doch, die Bäume weniger dicht, und steil nach unten auch, und laut Karte müßten gleich Serpentinen, sind das da Bohnenstangen? Welcher Irre legt hier einen Garten an? Aber alles überwachsen, nur ein Kirschbaum blüht, und nun macht der Weg eine Kurve, und nun --
Nichts. Wirklich nicht. Laut Karte sind wir hier, und der Weg müßte dort, aber nichts. Keinerlei Abstieg. Nur Steilhang und Gestrüpp. Wir beide, Fernwanderer, Kartenleser, Pfadfinder, wir haben uns verlaufen!
Und querwaldein? Senkrecht hinab etwa? Besser zurück. Durch die Reste vergessener Gärten, durch knietiefes Laub und Dornengerank, hinauf, wieder auf den Weg, der, wenn auch nicht der, den wir wollten, immerhin einer ist. Und der uns in weitem Bogen ans Ziel bringt.
Später finden wir heraus, daß unsere Karte nicht stimmt. Wer auch immer die Serpentinen eingezeichnet hat, an eine Stelle, die keinen Platz bietet für Wege, hat sie sich ausgedacht, um uns zu befremden.
11. Mai 2015, 21:20 ° danach
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unhaltbar
Die Rechten ineinander verschlungen, stehen wir am Bahnsteig im Morgenlicht. Meine Linke hält den Knoten unserer Hände wie einen Vogel; deine bedeckt ihn, als könne er zerflattern wollen. Wir schauen einander an, die Augen noch voller Nacht, und wissen: der nächste Zug, der kommt, wird eins von uns mit sich nehmen, und in den Händen werden wir nichts zurückbehalten als die Kühle dieses Tages.
29. April 2015, 16:07 ° danach
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Inselstunden
Die Reise ohne größere Vorkommnisse, und doch schlägt mir das Herz, als könne im allerletzten Augenblick alles mißlingen. Dann: kann ich mich nicht sattsehen an dir; das letzte Mal muß Jahre her sein.
Erst jetzt, wo er uns gemeinsam an einen Strand gespült hat, ermesse ich den Ozean, in dem ich geschwommen bin. Oben bleiben; Richtung halten. Der Auftrieb von Salzwasser. Jetzt liege ich bei dir, eine Hand zwischen deinen feuchten Schulterblättern, die Lippen an deiner Schulter, und während die Entfernung abperlt von uns, während sich noch in meiner Seele das Endlich! formuliert, da spricht's auch schon: vorbei; und zurück sinken die Stunden ins Meer.
Oben bleiben. Geduldig sein.
31. März 2015, 09:19 ° danach
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nach dem Fieber
Schmal bist du, und du streitest es ab.
Du legst den Kopf auf die Arme, Augen geschlossen, Puderzucker in den Mundwinkeln. Erschöpft vom Essen eines Krapfens.
Später wirst du auf meiner Schulter still, atmest tief und bist schließlich eingeschlafen in meinem Arm. Ich kenne keinen sonst, der im Schlafen leichter wird. Von deinem weitäugigen Wortwechsel mit mir, kurz und überzeugt, wirst du später nichts mehr wissen.
Mein Schal bleibt bei dir und umarmt dich länger als ich, mir zum Trost.
20. Februar 2015, 21:42 ° danach
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