Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
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Herbst
Ich suche unter den Kleidungsstücken auf dem Boden vorm Bett. (Ich habe früher schon bei dir vom weichen Gewirr der Kleider gelesen; nun sind es meine, die sich mit deinen mischen.)

Sie mischen sich gut; ich fasse nach allen gleich gern, und die Farben vertragen sich. Hier hat sich ein Träger um einen Ärmel geschlungen, und da sind Hosenbeine ineinander verkrempelt: gebückt stehe ich, die Füße in Stoffen, und trenne, glätte, schüttle auf, stülpe um und streife schließlich über. Unterwäsche. Socken. Hosen. Hemd, und alles Wärmende darüber.

Du sitzt da, zu mir gewandt. Ohne Brille kann ich dein Gesicht nicht sehen, aber du lächelst, das weiß ich. Ich wandle mich, lege mit jedem angezogenen Kleidungsstück ein Stück Nacktheit ab, bis überhaupt nichts mehr von ihr zu sehen ist. Dann setze ich die Brille auf und lächle zurück.
 
 
10. Oktober 2014, 17:12                               ° danach

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Wozu mir nicht die Worte fehlten, nur der Atem:
Deine Hand bringt in mir etwas zum Klingen, das zunimmt, größer wird, mich von der Mitte her weitet, bis ich eine Glocke bin, eine tönende Glocke, ein schwingender, hoher, froher Raum.
 
 
9. Oktober 2014, 18:57                               ° danach

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paradox
Der kleine Schlaf, so schön, so gut und gehalten, daß man ihn wach schlafen möchte, um nicht für sich zu sein dabei; um auszukosten, wie man ineinander verschränkt, die Träume verzwirnt, fern ist allem Wahrnehmen.
 
 
9. Oktober 2014, 14:06                               ° danach

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besucht
Du hast mich angeschaut. In
aller Deutlichkeit hast Du mich
angeschaut, und Du hast mich mit
Blicken geküßt. Schön ist das, wenn
Du mich so anschaust; wenn wir
einander so voller Einverständnis
in den Blick nehmen. Dann muß der
Blick berühren, was unseren Fingern
und Lippen verboten ist.

Ich habe Deinen Blick mitgenommen.
So kannst Du mich anschauen, wann
immer Du willst.
 
 
3. Oktober 2014, 23:18                               ° danach

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wund. Und wieder
Wir liegen in der Nacht und decken uns zu mit Dunkelheit; in ihren Falten finden wir einander, Wärme, Duft und Worte, und wieder halten wir uns behutsam, und wieder schenken wir uns mit vollen Händen.

Am Morgen ist die Haut so dünn im Licht, so durchlässig, und hat dem Trennen, dem Fehlen, dem Sehnen so wenig entgegenzusetzen.
 
 
1. Oktober 2014, 14:08                               ° danach

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Akribie
Die Zeit meint es gut mit uns. Die Uhr geht auf der Stelle, und wir können einander sorgfältig vermessen: in Blicken, Worten, Berührungen. Jede Falte, jeder Finger, Atemzug, Salz und Lächeln, alles wird zärtlich erfaßt. Die Fülle will kartiert werden, ohne Eile, und wir nehmen es sehr genau mit einander.

Wir zeigen uns nackt, legen uns offen, betrachten einander; nichts entgeht uns, und doch ist immer noch etwas übrig für das nächste Mal.
 
 
21. September 2014, 21:20                               ° danach

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Mitreisend
Wie schnell aus drei Stunden Autofahrt fünf werden, stockend, durch Landschaften, in denen man am liebsten aussteigen würde, immer hinter diesem grellgelben LKW, auf dem steht: Dienstleistung pur. Einkaufserlebnis total. Kundenorientierung ohne Ende, und man möchte der Agentur, die das verbrochen hat, einen unfreundlichen Besuch abstatten.

Aber dann schaue ich nach rechts, und da, wie im Traum, sehe ich dich sitzen. Du spähst mit gerunzelter Stirn hinaus, und ich kann mit dir reden und dich berühren, kann sogar an einer Raststätte rausfahren, um dich ausführlich zu umarmen. Du zitierst Balladen und schmiedest Pläne, und wir lachen: zu Fuß hätten wir uns längst überholt.
 
 
19. September 2014, 23:23                               ° danach

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Im Zug
Durch die Landschaft meiner Jugend: lauter schöne und herzzerreißende Orte; ich zeige dir, was sich zeigen läßt durch das Fenster eines fahrenden Zuges, der hält hier an jedem dicken Baum, und ich bin gedanklich immer eine Station zu weit, als kennte ich mich hier gar nicht aus.

Und einmal drehst du dich um und schaust, ob wirklich alle Ausflügler und Pendler aus dem Waggon verschwunden sind, und dann ziehst du mich an dich und küßt mich auf den Mund, und ich bin

erschrocken: zwei Welten beieinander, so dicht; ich dachte, wenn sie sich berühren, müßten sie zerplatzen wie Seifenblasen, aber hinter dem Fenster breiten sich die Felder über die Hügel, wie sie sie das immer schon tun, und du sitzt neben mir, schaust und hörst, und du lächelst.
 
 
23. August 2014, 14:49                               ° danach

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unerwartet
Ich bin vor dir auf dem Bahnsteig und erwarte dich, statt umgekehrt. Ich kann nicht lesen, ich kann nicht nichts tun -- ein wesentlicher Teil von mir eilt dir entgegen, und als du dann wirklich auftauchst, Gestalt und Gang und Haltung, bin ich gleich um dich, noch ehe du mich gesehen hast.

Du näherst dich langsam, während meine Blicke dich wild umarmen. Du schaust zu Boden. Zwei Falten stehen dir auf Stirn; die Lippen, die ich gedanklich längst küsse, sind aufeinandergepreßt.

Da blickst du auf, gefrierst; dann schlägst du eine Hand auf dein Herz und kommst zu mir, die Schritte weit, die Arme weit und dein Gesicht hell von unaufhaltsamer Freude, von Willkommen, von Begehren.

Als ich später im halben Dunkel auf deiner Schulter ruhe, sind deine Lippen wundgeküßt, müde und schön, wie Blütenblätter. Matter Samt, denke ich, von Herbstrosen.
 
 
14. August 2014, 00:06                               ° danach

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Und doch
Als sich die Stunden schon neigten, zogst du mich zu dir: ob ich dich wolle? Ich wollte dich, nahm die Decke, schloß sie um uns, und wir machten eine kleine Nacht in den viel zu kurzen Tag, ein besterntes Dunkel, in dem wir nichts finden mußten als einander.

Danach blendete alles.

Ach, die Süße dieser Zeit; wie ein Schluchzer sitzt sie in meiner Kehle.
 
 
8. Juli 2014, 20:25                               ° danach

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