Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
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mit allzu dünner Haut
Die Schnellzugscheiben spiegeln dir nur deinen eigenen Blick; du weißt nicht, hinter welchem Fenster ich winke. Dann bleibt der Bahnhof zurück, und mit ihm die Stunden, die in diesem Tag unsere waren. Und schön.

Nur wenige Augenblicke zuvor, der Zug fuhr schon ein, sah ich, wie dein Kragen von deinem Pulsschlag bebte, während wir einander nicht loslassen mochten.

Davor war die Stadt uns freundlich gesonnen und hatte sich von ihrer zuckrigsten Seite gezeigt; wir waren hindurchgegangen wie Hans und Grete, Hand in Hand, und hatten doch nirgends angebissen.

Noch etwas eher lagst du auf einer Bank am Wasser, den Kopf auf meinem Schoß, die Stirn in Frieden. Spaziergänger und Radfahrer passierten uns, Frachtschiffe schoben sich vorbei, aber wir waren im Schatten der Weiden ganz für uns.

Dorthin waren wir auf heiteren Wegen gelangt, durch sonnenhelle Dorfgassen zwischen Gärten und herrlicher Aussicht; wir hatten die Wege rufen gehört und uns zugenickt.

Die Schritte bis da waren weniger sicher gewesen, die Blicke zerbrechlicher, selbst die Gegend weniger zugewandt. Ich mußte dich in den Arm nehmen, von Zeit zu Zeit, um zu wissen, daß es uns gut geht. Du strichst mir geduldig die Stirne glatt. Wir fanden unseren Weg über einen Friedhof; Leute mit Gießkannen grüßten. Irgendwann waren wir über den Berg.

Zuvor, am Bahnsteig, hielten die frühen Reisenden scheu Abstand von unserer Bank, wo du zusammengesunken saßest und ich versuchte, dich zu trösten; meinen Schal um dich wickelte, deine Tränen trocknete mit dem Hemd, dir Zucker in den Kaffee rührte und doch nichts bewirken, nicht mal einen halben Tag aus dem Hut zaubern konnte für dich, für uns. (Und was, wenn etwas Schlimmes wäre --) Aber du wurdest doch ruhiger in meinen Armen; du nahmst ein Taschentuch, ein paar Schluck Kaffee und meine Hand, und dann machten wir uns auf den Weg, vorsichtig, wie über Glas.

Gleich als du aus dem Zug sprangst und zu mir kamst, wußte ich's, hatte es schon geahnt, als ich dein Gesicht, deine Haltung hinter der Scheibe ausmachte: daß überhaupt nichts in Ordnung sei, du ganz aufgebracht und unglücklich, und ich hatte gedacht: oweh.
 
 
15. Juni 2014, 20:51                               ° gestolpert

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verdrossen
Die Hitze, sage ich; denn „ach, nichts“ nimmt mir keiner ab.
 
 
7. Juni 2014, 17:31                               ° entfernt

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und dann
Lichtscheu erwachen und sich gleich wieder vergraben wollen in Gliedern und Decken und Schlaf: den Tag hinausschieben, der uns nicht miteinander sehen will.

Später, eine Tasse Kaffee in den Händen, nach Fassung ringen, nach Halt im Morgen, der Reißleine für den Lauf der Zeit. Nach einem roten Faden durch die Tage ohne einander.

Worte finden. Nie mit dem rechten Gewicht, aber besser, viel besser als nichts.
 
 
6. Juni 2014, 16:28                               ° danach

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weiter
Ob ich denn auch mitkäme, wenn es dreißig Kilometer seien? Und wenn es regne? (Die Frage war nicht ernst gemeint.)

Wir nehmen uns Zeit, einen Vormittag und einen halben Nachmittag dazu. Wir folgen Steigen, rätseln über Käfer, essen Kuchen, verlaufen uns, legen uns zu Mittag, erklettern Gipfel, winken Kellnern und Burgen, flanieren auf Promenaden und nehmen ein Schiff.

Die Augenblicke sammeln wir mit vollen Händen, werfen sie uns zu und verdoppeln sie; die Gedanken fliegen zweistimmig, und die meisten sind zum Lachen. Uns darf man auch nicht zusammen auf die Straße lassen. Der Weg trägt uns willig, es regnet nicht, dieser Tag hat kein Ende.

Schließlich neigt sich der Weg -- ob wir wirklich nicht müde seien? -- sacht wieder ins Tal, wo es ein warmes Essen gibt und einen Bahnhof. Und da, in der befestigt-romantischen Klamm mit dem Bach, da macht sich plötzlich das Licht davon.

Die Bäume rücken dichter zusammen und überrauschen das Amsellied; auf einmal ist es still, es steht die Zeit, und irgendwann tippt mit weichen Fingern Regen auf den Weg, bis er duftet. Wir fassen uns bei den Händen. Dieser Wald ist nur ein Zimmer in einem immensen Haus; und Holz und Blätter, nasse Steine, Knospen, Wachstum und warme Feuchtigkeit strömen uns in die Lungen, bis wir schwindlig sind.

Es regnet, und dieser Tag geht weiter.
 
 
4. Juni 2014, 13:18                               ° gegangen

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