Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Die Kraniche sind zurück.
Eben muß hier noch Schnee gelegen haben. Die Wiesen sind bleich, die Halme liegen platt; bei jedem Schritt schmatzt es schlammselig, und wir stehen im milden Frühjahrslicht, von oben bis unten bespritzt.
Grün ist nicht mal eine Ahnung in der Landschaft. Die Hügel strecken sich gelb und bräunlich, die Sonne rollt darüber hin. Ich bin müde, so müde. Wenn wir stehen bleiben zum Verschnauf, hocken die Vögel unsichtbar im Dorngesträuch und füllen es mit Liedchen. Du läßt mich auf deiner Schulter ausruhen.
Überm Weg schaukeln sonnenbesoffene Schmetterlinge, die nicht wissen können, daß ich Weihnacht im Rucksack trage: Apfel, Nuß und Mandelkern. Da, die Kapelle am Wegrand: der ungeschlachte Heilige glänzt im Meer der Kerzen, die ihm geweiht sind; er, der alle Visionen gottgefällig überstand, steht nun selber da wie ein finsterer Traum. Die Leute scheinen ihn zu lieben.
Du hast den Weg gewählt, und der streckt sich nun in der Wärme. Schön, flüstere ich und lege Wolle ab. Über den Rücken eines Drachen führst du mich, in Bögen und Schwüngen hoch und höher; die Sonne legt sich wie eine Schleppe auf unsere Schultern, während die Luft um uns glitzert von Insektenflügeln. Noch tiefer, unten im Tal, glänzt schwarz der Fluß.
Da plötzlich, Zauber aller Zauber, ein helles, klagendes Signal: eine, zwei, drei Ketten von Kranichen pflügen durch den Himmel, bleiben, kreisen, schrauben sich mit den Aufwinden ins Blau, ein komplizierter Tanz, eine Prozession, begleitet von Getröt.
In neuer Höhe setzen sie ihren Nordweg fort. Wir steigen hinab ins Tal, wo der Fluß ist und der Bahnhof. Ich bin so müde.
Du ziehst mich an dich. Ich rolle mich in deinem Arm zum Schlaf zusammen, und während ich alles vergesse, nimmst du mich mit dir.
10. März 2015, 13:54 ° gegangen
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zum Schlaf
Ich denke mir deine Armbeuge und grabe das Gesicht ins Kissen. Für wenn ich deinen Namen sage in der Nacht.
1. März 2015, 16:50 ° entfernt
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Auf der Bank an der Promenade in der Sonne,
und der erste Buchfink schmettert das Frühlingslied. Wir machen kleine Schritte vor dem Schatten her und trinken sehr viel Kaffee. Ein bißchen matt, ein bißchen froh, ein wenig ängstlich, aber aufgehoben in den zwei, drei Stunden auf Armeslänge.
22. Februar 2015, 16:20 ° gegangen
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nach dem Fieber
Schmal bist du, und du streitest es ab.
Du legst den Kopf auf die Arme, Augen geschlossen, Puderzucker in den Mundwinkeln. Erschöpft vom Essen eines Krapfens.
Später wirst du auf meiner Schulter still, atmest tief und bist schließlich eingeschlafen in meinem Arm. Ich kenne keinen sonst, der im Schlafen leichter wird. Von deinem weitäugigen Wortwechsel mit mir, kurz und überzeugt, wirst du später nichts mehr wissen.
Mein Schal bleibt bei dir und umarmt dich länger als ich, mir zum Trost.
20. Februar 2015, 21:42 ° danach
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