Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
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thin red line
Bei dir liegen, nackt und warm und ganz verschenkt, und auf unser beider verschränkten Händen die schmale Linie betrachten, die rot von weiß trennt, helle Haut und Haut, von dunklem Blut überfangen.

Dein Lächeln mehr spüren als sehen, wie du unsere Hände zu deinen Lippen hebst und lächelnd die weiße, die rote Haut lächelnd küßt;

dann ziehst du mich dichter an dich, und mein dunkler, nackter Duft umhüllt uns warm.
 
 
10. Februar 2016, 14:55                               ° gemerkt

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Tastsinn
In der Nacht, in der Schwärze unter Dach und Decke trifft meine Hand deinen Leib: Kiesel, feinster Sand in der Sonne. Meine Finger gleiten über deine Flanke, deine Hüfte, deinen Bauch. Ich sehe dich genau, betrachte dich mit Handinnenflächen und Fingerkuppen, und meine Haut ist geblendet von deinem Glanz im dunkelsten Dunkel der Nacht.
 
 
4. Dezember 2015, 22:12                               ° gemerkt

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Da.
Drei Stunden, allen Umständen und Bedenken abgerungen, sind nun unsere allein, denn manchmal geht es nicht anders, als daß es geht. Wir vergessen die Welt nicht, wir setzen sie vor die Tür.

Drinnen liegst du bei mir, den Kopf auf meiner Schulter und die Augen geschlossen, als wären sie nie offen gewesen, dein Atem wird tiefer, dein Herzschlag voller; leichter und leichter wirst du in meinem Arm.

Ich betrachte die Stiche der Schulternaht an deinem Hemd, auf deiner Haut die Reste von Sommerbräune. Ich streiche dir über Rücken und Nacken, über Hände und Haar. Deine Ruhe ist kein Schlaf, sondern ein Einfinden. Du hörst auf zu flackern, sammelst dich in unserer Wärme, bist du, und da.

Später wirst du dich in mir verlieren und mich mit dir nehmen; doch dies hier, du, so klar und kostbar wie ein Tautropfen auf einem Alchemillablatt, das ist der Frieden, den ich bei mir behalte.
 
 
19. November 2015, 23:25                               ° gemerkt

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Talisman
Zum Ende des Frühstücks, eine Nacht hinter, einen Weg vor uns, schaust du mich über den Tisch hin an: du habest eine Überraschung für mich, eine kleine, und streckst mir die Faust entgegen.

Was kühl und kantig in meine Handfläche fällt, nimmt mir den Atem: das ist ein Weg, eine Tür, der Raum dahinter und der Mensch darin, ein Willkommen, ein Vertrauen, ein Daheim.

Immer wieder fasse ich nach dem Schlüssel in der Jackentasche, wie ich nach deiner Hand fassen würde.
 
 
1. Juni 2015, 23:20                               ° gemerkt

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Wer sagt's denn.
In einer Welt, die nicht für Fußgänger gemacht ist, steht ein Verbotsschild an der Treppe den Berg hinauf: kein Winterdienst, hier brecht ihr euch den Hals; und um es ganz sicher zu machen, ist eine Schranke quer vor das Geländer geschraubt. Geht doch außenrum, die Serpentinenstraße, da ist der Bürgersteig mit hochgeschleudertem Salzwasser von der Fahrbahn angetaut.

Wir schauen uns an, dann steigen wir über die Schranke. Auch über die zweite, am oberen Ende der Treppe, und die dritte am nächsten Treppenabschnitt; vier, fünf Hindernisse überklettern wir und wecken die Stufen aus dem Winterschlaf. An der letzten Schranke schlängeln wir uns vorbei, und dann stehen wir oben im verschneiten Feld und schauen übers Tal, und die Welt ist wunderbar und sehr wohl für Wanderer gemacht, aber nur für solche, die über Schilder hinwegsehen können.
 
 
10. Februar 2015, 11:11                               ° gemerkt

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be prepared
Mühsam lesend, in ein paar Minuten würde ich dich am Gleis erwarten, saß ich im halb leeren Zug, als ein Schatten am Rande meines Blickfelds größer wurde und sich mir gegenüber auf den Sitz fallen ließ.

Statt des reflexhaften Unwillens (so nah!) packte mich eine Freude wie ein Schreck, und da hatte ich das Buch schon sinken lassen und schaute in dein lachendes Gesicht, entgeistert, nehme ich an, und während wir uns längst küßten, meine warmen Lippen deine winterkalten, war mein Hirn noch nicht so weit und probierte Geschichten aus, in denen ich zu weit oder im verkehrten Zug oder was falsch verstanden oder -- ach was, da warst du und lachtest und sagtest: ich habe einen Zug früher genommen; die Verwirrung ordnete sich in mir zum Glück, und hinzu kam das Vergnügen darüber, so ganz und gar und herrlich überrascht worden zu sein.
 
 
16. Januar 2015, 10:18                               ° gemerkt

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gratiam ferre
Seit ein paar Tagen werden die Tage wieder länger. Wie wichtig gerade dieser eine Tag für mich war, das konnte ich damals mit nichts wissen; und doch muß, wer dich gemacht hat, schon an mich gedacht haben dabei.

Dank, und Freude, und nichts als Gutes dir.
 
 
26. Dezember 2014, 01:00                               ° gemerkt

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Erwartung
Wir waren am Bahnhof verabredet, du warst auf dem Weg zur Arbeit; wir hatten uns ewig nicht gesehen. Du gabst mir in aller Eile deinen Schlüssel, und ich machte mich auf den Weg zu dir. Ohne dich.

Ich klingelte nicht, und du machtest mir nicht auf. Du gingst nicht voran die Treppe hoch, und ich folgte dir nicht; beim Händewaschen reichtest du mir nicht die Seife, und ich küßte dir nicht den Nacken. Alles duftete wie du, alles klang nach leerer Wohnung.

Dann fand ich auf dem Küchentisch: eine Tafel Schokolade, meine liebste Sorte, unter einem Zelt aus Papier, und darauf stand ein Willkommen, und ich solle nicht hungrig bleiben, und: bis bald.

So einfach. Ich fühlte mich von einem Stück Papier umarmt, von deinen Zeilen darauf geküßt.
 
 
12. November 2014, 20:18                               ° gemerkt

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Rückblende
Ich wollte das Bild sehen, ich ließ nicht locker, und schließlich reichtest du's mir. Ich weiß nicht, ob du dich abwandtest oder mir beim Schauen zuschautest, ich sah nichts als das Foto: briefmarkengroß und nur noch vage farbig, aber unzweifelhaft du.

Dieses Du trug ganz andere Haare, eine andere Brille (eine, wie ich sie damals hatte) und sah nicht in die Kamera, sondern fort aus dem Bild; die Stirne glatt, ein Lächeln weich auf Lippen wie ungeküßt.

Ich wandte die Augen ab, als könnte dieses ferne Gesicht plötzlich den Blick zu mir wenden, seinerseits mir in die Augen schauen. Rot wäre ich geworden. Das Bild gab ich dir wieder, aber ich hätte es gern heimlich weiter betrachtet.

Nach dir hätte ich mich umgedreht auf dem Schulhof. Als ich dir das sagte, fiel ein Schatten; du lächeltest und nanntest mich beim Namen, daß es schmerzte.

Zweiundsiebzigtausenddreihundert Schritte. Daß es an nichts anderem gewesen sein soll, daß wir uns nicht begegnet sind.
 
 
22. September 2014, 15:46                               ° gemerkt

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Self Service
Wie einmal die Bedienung nach dem Herstellen unserer Milchkaffees spurlos verschwand und wir dem Schaum auf den Tassen beim Zusammenfallen zusehen konnten, denn da standen sie ja, in der Küche; und du bist nach einiger Zeit aufgestanden und hast den Kaffee einfach selbst geholt, als tätest du nie was anderes. Zucker mußtest du aus dem Schrank nehmen; und: darf's sonst noch was sein?

Beim Kaffeetrinken, ganz heiß war er nicht mehr, machten wir Witze darüber, wen wir denn nun bezahlen sollten und wofür, und irgendwann beschlossen wir, Geld auf den Tisch zu legen und zu gehen.

Die Bedienung kam dann doch zurück und schaute irritiert auf uns, auf die leergetrunkenen Tassen; aber sie sagte nichts, und wir sagten auch nichts.

Wie scheußlich die Wandgemälde waren; und das Café eigentlich schön, so ein rührend-prachtvoller Gründerzeitbau, Kurcafé allererster Kategorie vor hundertfünfzig Jahren.

Wir gingen lachend.
 
 
8. August 2014, 18:26                               ° gemerkt

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