Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
Xaver
Gewühl am Bahnhof. Die Anzeigentafel ist weiß vor Verspätungsmeldungen. Dein Zug soll in 45, 55, 60 Minuten eintreffen. Ich betrachte die hastenden Menschen, während die Zeit verrinnt.
Da sehe ich dich auf der anderen Seite des Menschenstroms winken. Ehe mir einfällt, daß du noch gar nicht da sein kannst, ist es plötzlich hell. Die Menge teilt sich, in der Mitte des Gedränges treffen wir uns: du bist es wirklich; du hast einen anderen Zug genommen.
Keine Zeit für einen Kaffee, nicht einmal nach Sitzplatz suchen lohnt sich noch. Wir bleiben in einer Nische stehen, und weil ich dich lieber küssen würde, kann ich mich nicht sattsehen an dir. Dein Lächeln umfängt mich, wir wechseln leichte Worte, und dabei erzählen wir uns in Blicken ganz anderes. Alles Gehetz, die Zeit selbst geht uns nicht an.
Zum Abschied umarmen wir uns dann doch, und dieser Abschied hat keine Macht über uns. Wir gehen leuchtend.
Der mißgünstige Wind hat unserer Stunde nur ein paar Minuten gelassen, aber jede dieser Minuten erhellt meinen Tag für Stunden.
6. Dezember 2013, 17:35 ° gemerkt
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Stern
Eine Stunde willst du mir schenken, ganz und rund, funkelnd und warm von deinen Händen. Ich werde ein Strahlen mitbringen, das können wir zwischen uns hin- und herreichen; es wird uns beiden gleich gut stehen.
3. Dezember 2013, 23:09 ° davor
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Gezeiten
Ebbe, Flut. Gleichmaß, Ruhe gar ist nicht in Sicht. Ebbe, Flut. Trockenfallen, Fortgerissenwerden.
Die See kennt es nicht anders, sie ist den Anziehungs- und Fliehkräften unterworfen: auflaufenden folgen ablaufende Wasser, Nipp- auf Springtide. Das macht die Küste gefährlich, und das macht sie schön.
Man muß sich gut auskennen. Man darf nicht aufrechnen. Man braucht bei Sturm einen Ort über der Wasserlinie.
1. Dezember 2013, 21:25 ° erwünscht
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ferner
Gern hätte ich Arme, dreihundert Kilometer weit zu reichen. Oder bis gestern wenigstens, hin zu dem, was sie schon hielten.
28. November 2013, 22:16 ° danach
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Sinn und Ziel
Wie die Eichhörnchen: am Waldrand Nüsse in die Erde legen und mit Vergessen zudecken; Regen und Sonne ihre Arbeit machen lassen.
Alle paar Jahre schauen, was daraus geworden ist. Nicht aufhören; das ist wichtig.
Eines Tages im Schatten unserer Bäume einschlafen.
28. November 2013, 17:34 ° erwünscht
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in nuce
Der November warf uns eine Walnuß auf den Weg, vielleicht die allerallerletzte dieses Herbstes; die leuchtete im modrigen Laub unter dem längst kahlen Baum. Ich steckte sie ein.
Wie viel Zeit wir hatten? Gar nicht viel. Aber wir hielten sie fest, wie wir einander festhielten, beide winterlich eingehüllt, jedes warm für sich und an einander gewärmt. Wir ergründeten ihre Fältelung, füllten jede Nische und spürten jede Krümmung in ihrem Inneren aus, während sie sich um uns legte und uns ein wenig Frieden ließ.
Die Walnuß, aus deren Schale, behutsam von dir geöffnet, ich den Kern mit Sorgfalt befreit und mit dir geteilt hatte, und die sich nachher wieder zusammenfügen ließ ohne sichtbare Spuren, liegt scheinbar fest verschlossen auf dem Tisch; aber wir beide wissen, wie sie schmeckt: süß und bitter und nach Herbst, nach herrlichem Herbst.
28. November 2013, 12:52 ° gegangen
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