Wunderkarte: Pfad- und Wegelager
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zum Flug
Du prüfst den Untergrund, wirfst ein paar Steine beiseite und räumst Zweige fort, bis wir Platz haben. Wir liegen weich, übereinandergeschichtete Buchenzweige beschirmen uns, blau hinter grün hinter grün enthält der Himmel weiße Wolken, und dann läßt er die Sonne durch, das Grün strahlt auf, warme Finger weisen auf uns, wir schauen uns an, dann stürzen wir uns in die Höhe.
 
 
4. August 2021, 15:37                               ° gerastet

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Buchfink
Aus nächster Nähe tönt er, eine, zwei Strophen über uns (derweil du mir ins Ohr wisperst, wie sehr, sehr, sehr ich dir gefehlt hätte); du hörst ihn nicht. Als du dich von mir löst, muß ich weinen und lachen zugleich, aber er ist verstummt und singt uns nicht noch einmal.
 
 
27. April 2020, 16:11                               ° gerastet

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abends
Du stehst am Waschbecken, vornübergebeugt, und putzt dir methodisch die Zähne. Ich trete von hinten an dich heran und betrachte deinen Rücken. Der Reihe deiner Wirbel folge ich mit den Händen nach unten und mit Küssen nach oben; deine Schultern erschauern gänsehäutig, während ich die Unterseiten deiner Arme streife.

Ich bestaune den Schwung deiner Schultern, die Muskeln links und rechts deiner Wirbelsäule, deine Hüfte. Du entkommst mir nicht --

Dann umfange ich dich, eine Hand auf deinem Bauch, eine auf deiner Brust, und ziehe dich hinterrücks an mich, bis du, Schaum im Mund und schon weniger methodisch, vor Behagen knurrst.

Ungeduld kommt erst zum Ende ins Spiel.
 
 
26. Dezember 2019, 12:22                               ° gerastet

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beinahe
Ganz bekleidet liegst du in meinem Arm, der Bogen deiner Wange ein Schattenriß im Lichtkegel meiner Lampe, und alle Bücher in den Regalen lächeln auf uns herab, wie ich die Nase in deinen Kragen grabe und du immer tiefer atmest, mich in Wärme und Frieden hüllst.

Fast wäre ich eingeschlafen, fährst du hoch, und ich hätte gar nichts dagegen gehabt, ich hätte die Stunden gebeten, etwas leiser vorbeizugehen, und dir später einen Kaffee gebracht.
 
 
21. April 2017, 19:28                               ° gerastet

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Morgen
Die Zärtlichkeit der Frühe, die weit vor dem Licht schon ins Bett zu unseren warmen Leibern schlüpft: blind fassen, vergraben wir uns in Haut, wollen halten diesen, diesen und, ach, doch diesen Augenblick.

Bald darauf strahlt deine Haut im Lampenschein, bringst du den Geschmack von Kaffee in deinen Küssen; das hält ein Weilchen an und führt ein Stückchen weit, komm her!, denn draußen wird es hell.

In einer späteren Frühe dann stehen wir, vier Füße auf Asphalt, drei Hände verschlungen, Stirn gegen Stirn, und sortieren den lichten Tag in deinen, in meinen.

Das muß reichen.
 
 
15. März 2017, 18:17                               ° gerastet

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traurigfroh
Im Gedränge stehen wir dicht beieinander, ein paar Minuten noch, wir haben uns kaum berühren können in den letzten Stunden, und ich stehe bei uns und sehe: wie wir einander in den Blick nehmen und alles andere aussperren, wie sich das Strahlen im Widerschein vestärkt, wie wir unter einer Glocke aus Einverständnis und Verheißung sind, und der Abschied bleibt außen vor.

Später, da bist du schon fast wieder daheim, kann ich mich noch immer leuchten sehen.
 
 
28. Dezember 2016, 09:45                               ° gerastet

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Vogelwerdung
Unsern verschwiegenen Ort finden wir unter den Hainbuchen am Hang. Wir erkennen ihn gleich: Das Laub hat uns eine Matte aufgeschüttet, und die Sonne breitet sich als Decke darüber. Wir gehen unterm blauen Schein des Himmels zu Bett, unterm Winken frischer Blätter. Die Vögel schimpfen und warnen: Große Feinde! Zwei! Gefahr!

Wir legen unser Gefieder ab und liegen ganz nackt im welken Laub. Ich komme zu keinem Ende mit Staunen: wie das Licht dir steht, wie schön du bist unter den Wolken! Von ihrer Eile am Himmel werden hier unten deine Augen bald dunkel, bald hell.

Wir schauern. Es ist kühl, und vor allem ist es Zeit. Der Wind bläst uns Buchenknospenhülsen ins Haar. Wir teilen unsere Wärme, unser Gewicht, unsere Stimmen: Geschöpf, allerliebstes, du; und wie sich das gefügt hat und immer wieder fügt. Wir halten einander, die Sonne bescheint uns freundlich, und da haben sich auch die Vögel gewöhnt und singen wieder, als wären wir ihresgleichen.

Noch einen Augenblick gehören wir hierher, und noch einen. Dann frischt der Wind auf, und wir schlüpfen in die Kleider und gehen. Hinter uns bleibt ein Zeichen, ein Nest im Laub, wie der Pfad ein Zeichen unseres Weges ist.
 
 
16. April 2016, 23:56                               ° gerastet

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Schößling
Du liegst ausgestreckt, und ich erkunde die Ebene deines Rückens, mit den Lippen die Wirbelsäule entlang, eine seufzende Spur von Hüfte bis Schulterblatt; im Nacken sträuben sich silberne Härchen, und da, ganz unerwartet:

Zart und aufrecht steht dir zwischen Hals und Schulter eine junge Buche, zwei Handbreit hoch, die leuchtenden Blätter auf deiner leuchtenden Haut wie vorsichtige Fingerspitzen, und so sehr du fühlst und schauerst, so geborgen steht sie da in deinem Arm, Zeugin jedes meiner Küsse.
 
 
26. August 2015, 22:47                               ° gerastet

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Trauerweide
Sie wölbt sich über uns. Ein paar Mücken läßt sie durch, das ist nicht so schlimm; und ab und an kommen ihr Spaziergänger nah, aber die drehen gleich wieder ab. Um unser Blätterzelt schleicht die Zeit, vergeblich.

Die Weide ist unser umgestülptes Nest, hält uns am Boden, wo wir sonst leicht in den Himmel fielen, und ob es die Schatten ihrer Blätter sind oder deine Hände, die mich um die Besinnung streicheln, weiß ich kaum.
 
 
25. Juni 2015, 23:26                               ° gerastet

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Augentrost
Schau nicht so -- wie oft ich das gehört habe. Was ist denn, ist irgendwas? Und die beunruhigten Blicke zurück, ich hätte sie nicht zählen können. Da habe ich die Lider gesenkt. Ach, nichts.

Deine Ruhe unter meinen Augen, dein Zumirwenden, dein Ich mag von dir angeschaut werden -- die fügen dem Schönen, das ich sehe, ein Leuchten hinzu.
 
 
6. Juni 2015, 18:14                               ° gerastet

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